Stellungnahme des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes e. v. zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit der „Verordnung zur Neuregelung der ärztlichen Ausbildung“ vom 15. juni 2023

Der Hausärztinnen und Hausärzteverband e. V. dankt für die Möglichkeit zu dem vorliegenden Referentenentwurf zur ärztlichen Approbationsordnung eine Stellungnahme abgeben zu können. Mit dieser Fassung, die das Ergebnis eines langen Abstimmungsprozesses auf Länder- und Bundesebene ist, ist ein weiterer Schritt getan, um diese wichtige Reform endlich umzusetzen, die dazu führen wird, dass die medizinische Ausbildung praxisnäher gestaltet wird und mehr Anreize beinhaltet, ambulante Fächer, hier insbesondere die Allgemeinmedizin, in den Fokus zu rücken.

Kritisch ist allerdings anzumerken, dass der langwierige Diskussionsprozess zu einer Verschiebung des Inkrafttretens der Reform um zwei Jahre auf den Oktober 2027 geführt hat.

Voraussetzung für die Annäherung der unterschiedlichen Positionen zu den Kostenfolgen sind Ände- rungen im Vergleich zu den Vorentwürfen, die aus Sicht des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes schmerzhaft sind. Im Folgenden werden einzelne Regelungen bewertet.

Bewertung im Einzelnen

Kritisch zu sehen ist die Verkürzung der Famulatur von bislang vier Monaten auf zwölf Wochen im § 8 (4). Der damit verbundene Wegfall der einmonatlichen Famulatur in einer Einrichtung der hausärztlichen Versorgung ist kontraproduktiv zu dem mit dem Masterplan Medizinstudium 2020 verfolgten Ziel der Stärkung der Allgemeinmedizin während der medizinischen Ausbildung. Auch wenn die Begründung, dass die Verkürzung der Famulatur den Mehraufwand, der durch die Einführung einer wissenschaftlichen Arbeit entsteht, kompensieren soll, teilweise nachvollziehbar ist, wäre es wünschenswert gewesen, die beabsichtigte Verringerung der Belastung der Studierenden auf anderem Wege herbeizuführen.

Die Verlängerung des Blockpraktikums in der Allgemeinmedizin auf fünf Wochen als teilweisen Ausgleich für die gestrichene Pflichtfamulatur im § 41 (3), ist zu begrüßen. Kritisch zu sehen ist allerdings die Regelung, dass der Abschnitt Allgemeinmedizin in Lehrpraxen stattfinden kann, die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen. Dies würde bedeuten, dass das Blockpraktikum Allgemeinmedizin vollständig in pädiatrischen Praxen abgeleistet werden kann. Damit sind die gewünschten Lehrinhalte dieses Abschnitts, d. h. die hausärztliche Betreuung von Patientinnen und Patienten aller Altersgruppen, nicht abgedeckt. Schon heute und zukünftig verstärkt wird in allgemeinmedizinischen Praxen insbesondere die ältere und oft multimorbide Bevölkerung versorgt. Hier muss es eine Begrenzung der Zeitdauer, die in pädiatrischen Praxen abgeleistet werden kann, auf maximal zwei Wochen geben.
Grundsätzlich ist die Ausweitung der Lehrpraxen für den Abschnitt Allgemeinmedizin auf Praxen, die nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, aus pragmatischen und Kapazitätsgründen nachvollziehbar. Es muss aber an dieser Stelle betont werden, dass die Unterscheidung zwischen Fachgebiet (hier: Allgemeinmedizin) und Ort der inhaltlichen Vermittlung (hier: Praxen gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB V) nicht verwischt werden sollte. Allgemeinmedizinische Inhalte können am besten in einer Allgemeinmedizinischen Lehrpraxis vermittelt werden, auch wenn gute hausärztliche Versorgung ebenso in hausärztlichen internistischen Praxen stattfindet.

Aus Sicht des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes ist es besonders bedauerlich, dass ein obligatorischer Ausbildungsabschnitt während des Praktischen Jahres im Bereich Allgemeinmedizin nicht in den aktuellen Entwurf im § 49 aufgenommen wurde. Unzweifelhaft ist die Allgemeinmedizin das Kernfach in der ambulanten Versorgung und es ist notwendig, dass Studierende vertiefte Einblicke in die hausärztliche Versorgung erhalten, auch wenn sie sich später für ein anderes Fachgebiet entscheiden. Es gibt praktisch keine spezialfachärztliche Tätigkeit im ambulanten Bereich, in dem es keine Schnittstelle zur hausärztlichen Versorgung gibt. Eine integrierte sektorenübergreifende Patientenversorgung würde also sehr profitieren, wenn jede Ärztin und jeder Arzt die hausärztliche Praxis zumindest für kurze Zeit kennengelernt hat. Mit der Einführung eines Pflichtquartals Allgemeinmedizin wäre ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung der Ziele des Masterplan Medizinstudium 2020, also besonders die Stärkung der Allgemeinmedizin, erreicht.

Besonders kritisch sieht der Hausärztinnen- und Hausärzteverband, dass Universitäten, die keine ausreichende Anzahl von Lehrpraxen gewinnen können, den Ausbildungsabschnitt Allgemeinmedizin im PJ gem. § 52 in Hochschulambulanzen durchführen können. Auch wenn die damit verbundene Absicht, den Fakultäten durch diese Öffnungsmöglichkeit mehr Flexibilität zu geben, grundsätzlich nachvollziehbar ist, so ist diese Regelung ausgesprochen kritisch zu sehen. Unzweifelhaft werden die Inhalte, die während des PJ-Abschnitts Allgemeinmedizin in einer hausärztlichen Praxis den Studierenden vermittelt werden können, nicht oder nicht vollständig in Hochschulambulanzen erlernbar sein. Die Begrenzung auf maximal 10 Prozent der Stellen in diesem Ausbildungsabschnitt in einer Hochschulambulanz ist notwendig, ebenso wie die zeitliche Begrenzung auf zwei Jahre, bevor das Benehmen mit der zuständigen Gesundheitsbehörde hergestellt werden muss. Hier wäre eine stärkere Einflussnahmemöglichkeit der Gesundheitsbehörde („Einvernehmen“) sinnvoll gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Regelung eine Ausnahme bleibt und die Gesundheitsbehörden die Fakultäten dazu anhalten, die Ausnahmeregelung auslaufen zu lassen. Wichtig wäre auch die Einbindung der Institute bzw. Lehrstühle für Allgemeinmedizin.
Auch an dieser Stelle muss betont werden, dass die Sorgen, dass zu wenige Lehrpraxen zur Verfügung stehen für die Praxiszeiten in Blockpraktikum und PJ, unbegründet sind. Durch den Wegfall der vierwöchigen Famulatur in einer hausärztlichen Praxis, der nur zum Teil durch eine Verlängerung des Blockpraktikums Allgemeinmedizin kompensiert wird, kommt es per Saldo zu weniger Praxiszeiten in hausärztlichen Lehrpraxen im Vergleich zur gültigen ÄApprO. Im Übrigen sieht der Hausärztinnen und Hausärzteverband die Möglichkeit einen Teil des Blockpraktikums in pädiatrischen Lehrpraxenabgeleistet werden kann als positiv an. Hier verweisen wir allerdings auf unsere Anmerkungen zu den Änderungen zum Blockpraktikum. Eine Begrenzung der möglichen Zeit in einer pädiatrischen Praxis auf maximal zwei Wochen ist fachlich geboten.

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßt, dass im dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im § 111 (Durchführung der Prüfung an der Patientin oder am Patienten) geregelt ist, dass jeweils 20 Prozent der Prüfungen eines Prüfungstermins am Patienten in der Allgemeinmedizin, Inneren Medizin und Chirurgie durchgeführt werden muss. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Allgemeinmedizin hier ihren Platz gleichrangig mit Innerer Medizin und Chirurgie bekommen hat. Auch dass die Studierenden im Rahmen der mündlich strukturierten Prüfung (2. Tag M3) in der Allgemeinmedizin geprüft werden, ist ein deutliches Signal im Sinne des Masterplan Medizinstudium
2020 und wird die Studierenden aber auch das Lehrangebot in Richtung des Faches Allgemeinwissen orientieren.

Zusammenfassung

Nachdem die Reform der Ärztlichen Approbationsordnung im Masterplan Medizinstudium 2020 enthalten ist, ist es bedauerlich, dass der langwierige Diskussions- und Abstimmungsprozess zu den Kostenfolgen zu einer Verzögerung des Inkrafttretens von zwei Jahren geführt hat. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßt dennoch ausdrücklich, dass die Gespräche zu den notwendigen Änderungen der Ärztlichen Approbationsordnung vom Bundesministerium für Gesundheit und den zuständigen Fachministerien der Länder weitergeführt wurden und mit der aktuellen Fassung ein Entwurf vorliegt, in dem das Bemühen erkennbar ist, die Ziele des Masterplan Medizinstudium 2020 umzusetzen und damit die Allgemeinmedizin in der Universität und Ausbildung zu stärken. Dennoch mussten aus Sicht des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes zum Teil schmerzhafte Kompromisse eingegangen werden, um den Fakultäten eine flexible Umsetzung der Reform zu ermöglichen.
Ungeachtet der nach wie vor grundsätzlich begrüßenswerten Ausrichtung des Entwurfs hin zu einer Stärkung der Allgemeinmedizin, halten wir einige Änderungen für notwendig und sachgerecht. Wir verweisen dafür auf unsere obigen Bewertungen im Einzelnen.

Stand: 7. August 2023

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